Das Zentrum für verfolgte Künste, Solingen, und das documenta archiv, Kassel, beleuchten in einem gemeinsamen Forschungs- und Ausstellungsprojekt die Umstände, unter denen Kunst zum Klassiker wird oder in Vergessenheit gerät. Im Fokus der Unternehmung steht ein Vergleich der „Großen Kunstausstellung Kassel“ im Jahr 1929 mit der ersten documenta 1955.

 

Eröffnung der Ausstellung im Zentrum für verfolgte Künste, Solingen
Freitag, 6. Mai 2022, 18 Uhr

 

Pressetermin
Freitag, 6. Mai 2022, 11 Uhr

 

Mit der 15. Ausgabe der documenta steht Kassel im Sommer 2022 wieder im Rampenlicht. Bis heute gilt sie als eine der bedeutendsten wiederkehrenden Kunstausstellungen weltweit. Sie verschafft Künstler:innen Aufmerksamkeit und prägt ihre Karrieren. Wer an einer documenta teilnimmt, hat gute Chancen darauf, auch in Zukunft wahrgenommen, diskutiert und vermarktet zu werden. Diese Deutungsmacht wirft Fragen nach den kuratorischen Auswahlprozessen auf: Welche Personen, Institutionen und Umstände bestimmen darüber, wer zur documenta eingeladen wird und wer nicht?

 

Das Zentrum für verfolgte Künste, Solingen, und das documenta archiv, Kassel, nähern sich der Frage im Rahmen eines Forschungs- und Ausstellungsprojekts, das auf die Anfänge der documenta im Jahr 1955 zurückblickt. Durch einen Vergleich mit der 1929 ebenfalls in Kassel unter völlig anderen Vorzeichen und mit abweichenden Zielstellungen veranstalteten „Vierten Großen Kunstausstellung“ wird die Reflexion über die Rol­le der documenta für die Kanonisierung von Kunst in der Nachkriegszeit in Gang gesetzt.

 

Den Auftakt macht das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen mit einer Schau, die aus den eigenen Sammlungsbeständen schöpft und sie um einzelne Leihgaben ergänzt. Anhand von beinah 80 Werken unternimmt sie eine teilweise Rekonstruktion der „Vierten Großen Kunstausstellung“ 1929. Rund 30 Künstler:innen der Solinger Sammlung waren damals in Kassel vertreten — auf der ersten documenta 1955 hingegen nur noch drei. Und das, obwohl beide Ausstellungen maßgeblich von Arnold Bode (1900-1977), dem Gründungsvater der documenta, gestaltet wurden. Wie also lassen sich die oft komplexen Prozesse der „Werk- und Künstler:innenauswahl“ rekonstruieren, die zu derartigen Verschiebungen führten? Welche Bedeutung hatten die Jahre des Nationalsozialismus 1933-1945 für die Veränderung der Auswahlkriterien, in welcher Weise prägte die Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ seit 1937 den Avantgarde-Begriff von Kunstwissenschaftler:innen, Kunstkritiker:innen und Kurator:innen nach 1945? Und welche Rolle ist einzelnen Künstler:innen-Biografien mit Berufsverbot, politischer Verfolgung und dem Tod in Vernichtungslagern beizumessen?   

  

Im Anschluss an die Präsentation in Solingen wird die Ausstellung nach Krakau wandern und im Herbst/Winter 2022/23 im Museum für Gegenwartskunst (MOCAK) zu sehen sein.

 

Das Projekt „1929/1955“ versteht sich als work in progress: Laufende Forschungen und Recherchen sollen über die gesamte Laufzeit hinweg auf der Website www.29-55.de vorgestellt werden. Sie fließen außerdem in eine erweiterte Ausstellung ein, die das documenta archiv 2023 in Kassel zeigen wird. Begleitend dazu sind ein wissenschaftliches Symposium sowie eine Publikation in Vorbereitung.

 

Laufzeit der Ausstellung in Solingen

 

6. Mai bis 11. September 2022

Zentrum für verfolgte Künste

Wuppertaler Straße 160

42653 Solingen

 

Ausgestellte Künstler:innen

 

Jankel Adler, Josef Albers, Emil Betzler, Arnold Bode, Charles Crodel, Wilhelm August Dressler, Hans Feibusch, Xaver Fuhr, George Grosz, Otto Herbig, Karl Hofer, Max Kaus, Anton Kerschbaumer, César Klein, Bruno Krauskopf, Werner Laves, Felix Nussbaum, Otto Pankok, Joachim Ringelnatz, Christian Rohlfs, Richard Seewald, Renée Sintenis, Milly Steger, Gert Wollheim

 

Information / Ansprechpartnerin

 

Solingen: Kathrin Luz

 

Kassel: Dr. Sebastian Borkhardt

borkhardt[at]documenta.de 

 

Weitere Informationen zur Konzeption des Ausstellungs- und Forschungsprojekts sowie Abbildungsmaterial zum Download stehen ab sofort auf der Website www.29-55.de zur Verfügung.

 

Kurator:innen

kuratische Betreuung in Solingen:
Marielena Buonaiuto, Birte Fritsch, Hanna Sauer, Susanne Vieten (Zentrum für verfolgte Künste)

 

kuratorische Betreuung in Kassel (2023/24):
Dr. Sebastian Borkhardt, Martin Groh (documenta archiv)

 

Unter der Leitung von Dr. Birgitta Coers und Jürgen Joseph Kaumkötter