Am 19. September feierte Catherine David ihren 70. Geburtstag. Mit ihrer Konzeption der documenta 10 (1997) setzte sie neue kuratorische Maßstäbe. Die erste Frau an der Spitze der documenta verwandelte die Kunstschau in einen politischen Denk- und Diskursraum der globalisierten Gegenwart. Damals sah sich David mit Vorwürfen der Überintellektualisierung und mangelnder Zugänglichkeit konfrontiert. Kaum eine documenta Ausgabe war bis dahin im Vorfeld und während der 100 Tage größerer medialer Kritik ausgesetzt. Heute gilt sie als wegweisend für die nachfolgende Ausstellungspraxis. 

 

Die kuratorische Handschrift der Französin zeichnete sich durch eine entschiedene Abkehr von spektakulären Gesten und der Eventisierung des Ausstellungsbetriebes aus. Während ihr Vorgänger Jan Hoet im Rahmen der documenta 9 (1992) noch auf Emotionalität, Überwältigung und öffentlichkeitswirksame (Selbst-)Inszenierungen setzte, traten mit Davids "Retroperspektive" konzeptuelle Arbeiten und die historische Selbstreflexion in den Vordergrund. Der Verzicht auf im Wind flatternde Fahnen vor dem Fridericianum war ein ebenso deutliches Statement wie der leere Friedrichsplatz, der, anders als bei ihren Vorgängern, ohne künstlerische Arbeiten auskommen musste. Statt auf Malerei und Plastik setzte David auf Fotografie und Film, auf Architektur-Konzepte und Stadtplanung sowie erstmals auf die noch junge Netzkunst.

 

Mit der programmatischen Achse vom Kulturbahnhof über die Treppenstraße bis zum Ufer der Fulda erweiterte sie den Ausstellungsparcours und rückte die Stadtentwicklung Kassels nach 1945 (Aspekte urbanistischen Scheiterns eingeschlossen) in den Mittelpunkt. Die deutsche Nachkriegs- und Wiederaufbaugeschichte wurde auf diese Weise im Modus des Flanierens erfahrbar. Der umfassende Katalog und das heute legendäre Vortragsprogramm "100 Tage 100 Gäste" verorteten die lokale Tradition der documenta im weitergefassten politischen Kontext ihrer Gründungszeit und öffneten sie zugleich für die transdisziplinären Diskurse der Gegenwart.

Als Kuratorin der documenta 10 hat Catherine David das Kasseler Ausstellungsformat für immer verändert. Wir gratulieren ihr herzlich zum 70. Geburtstag und zu ihrem bemerkenswerten Lebenswerk.