Skulptur und Performance, Zeichnung, Installation und Film: Rebecca Horn gehörte zu den vielseitigsten und wichtigsten deutschen Künstlerinnen ihrer Generation.

 

Seit den späten 1960er Jahren umkreiste ihr visionäres, transmediales Schaffen auf poetisch-sinnliche Weise das Thema der Existenz und verwischte hierbei die Grenzen zwischen Kunst und Natur, Körper, Umwelt und Maschine, sowie dem Menschlichen und Nichtmenschlichen. Die Entwicklung ihres künstlerischen Schaffens lässt sich anhand ihrer vier documenta Teilnahmen zwischen 1972 und 1992 geradezu beispielhaft nachzeichnen.

 

1972 ist Harald Szeemann der erste Kurator, der Horns Werk zeigt: Begeistert von ihrer filmisch und fotografisch dokumentierten Performance "Einhorn" (1970) lädt er die damals 28-Jährige zur Teilnahme an der documenta 5 ein. Sie ist mit einer, für diese Werkphase typischen "Kopf-Extension" in der Sektion "Individuelle Mythologien" (Unterabteilung "Selbstdarstellung") vertreten: In einer einmaligen Aktion trug ein männlicher Performer eine überdimensionierte Konstruktion, mit einer fünf Meter hohen, in schwarzen Stoff gehüllten Stange auf dem Kopf, während er von Horn und drei weiteren Teilnehmern an vier langen Leinen langsam über die Karlswiese vor der Orangerie geführt wurde.     

 

Fünf Jahre später ist Horn auf der documenta 6 mit der performativen Skulptur "Paradieswitwe" (1975) vertreten: eine aufrecht stehende kokonartige Konstruktion aus schwarzen Hahnenfedern, deren Dimensionen den menschlichen Proportionen entsprechen. Die Videoaufzeichnung der aktivierten Skulptur war während der Ausstellung auf zwei Bildschirmen zu sehen. Im langsamen Öffnen und Schließen des geheimnisvollen Gebildes wird der im Inneren geborgene Körper einer unbekleideten Frau enthüllt/vehüllt und durch einen Spiegel reflektiert.

 

Im Rahmen der documenta 7 (1982) inszenierte Rudi Fuchs Rebecca Horns "Bleistiftmaske" (1972) in der Rotunde des Museum Fridericianum als Kontrapunkt zu Hanne Darbovens Zyklus "Vierjahreszeiten" (1981). Die eigentliche Sensation war jedoch die neuentwickelte "Pfauenmaschine" (1982), die zugleich einen Meilenstein und Wendepunkt für Horns künstlerische Arbeit markierte: In Weiterentwicklung der frühen Performances, Apparaturen und Körperextensionen wurden von nun an kinetische animierte Maschinenskulpturen zu den unverwechselbaren Akteuren ihrer Kunst. Als zoomorphes Maschinenwesen schlug die motorbetriebene "Pfauenmaschine" im Inneren des weißen Tempels auf der (vorübergehend betretbaren) Schwaneninsel ihr fächerförmiges Rad in einem immerwährenden Balzritual. Ein choreografiertes Schauspiel, in dem sich Zartheit, Fremdheit, Anziehung und Unnahbarkeit verschränkten.

 

1992 nahm Rebecca Horn ein letztes Mal an der documenta teil: Ihre ortsspezifische Installation "Der Mond, das Kind, der anarchische Fluss" im Dock4 – einem ehemaligen Schulgebäude, in dem sich heute das documenta archiv befindet – bestand aus mehreren kopfüber an der Zimmerdecke befestigten Schulbänken, herabtropfender Tinte und einem Geflecht aus Bleirohren, das wurzelartig über alle drei Stockwerke an der Fassade herab bis in den Hof reichte.

 

Neben zahlreichen weiteren internationalen Auszeichnungen wurde Rebecca Horn mit dem vom japanischen Kaiserhaus ins Leben gerufenen Praemium Imperiale (2010), dem Goslarer Kaiserring (1992) und dem Kasseler Arnold-Bode-Preis (1986) geehrt.